Lebenswelt
Von Florian Prokop
Von vier Seiten elektrische Bahnen und Omnibusse, Wagen auf Wagen, ohne Pause; aus sechs, sieben Straßen Equipagen, Droschken, Automobile, Geschäftswagen, Fahrräder, kreuz und quer, in mühsam gemäßigter Hast; und dazwischen ein Gewimmel von Fußgängern, aus allen Richtungen kommend, in alle Richtungen strebend, reich und arm, Alt und Jung, Berlin in allen seinen Schichten, so beschrieb ein zeitgenössischer Beobachter das Treiben um den Potsdamer Platz.
Wer um 1920 zum ersten Mal nach Berlin kam, wurde von der ungewohnte Dichte und Hektik des Verkehrs geradezu überwältigt. Neben der größten Gruppe der Industriearbeiter drängten auch Angehörige der bürgerlichen Mittelschichten in die Hauptstadt, da sie sich hier bessere Berufschancen erhofften. Die Assimilation der verschiedenen Herkünfte, Dialekte, Mentalitäten und die Synchronisation der unterschiedlichen Arbeits- und Lebensrhythmen zwangen Zuwanderer, sich dem Prozess einer ‚inneren Urbanisierung’ zu unterwerfen. Sie führte zu einer eigenen Großstadtidentität mit spezifischem Jargon.