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Mensch und Technologie

Von Harald Steinbrecher

Ein Mann berichtet aus den Zwanziger Jahren, einer Zeit voller Wunder

Der Alltag hatte sich grundlegend verändert. Deutschland erhob sich wie ein Phönix aus der Asche des ersten Weltkrieges.

In Deutschland geschieht Unvorstellbares. Das Wort Technik klingt zu harmlos, wir leben in einem Zeitalter ungeheurer Innovationen. Von 39 naturwissenschaftlichen Nobelpreisen geht jeder dritte an deutsche Wissenschaftler, so an Albert Einstein mit seiner Relativitätstheorie, die für den Normalgebildeten kaum zu begreifen ist. Wir befinden uns in einer Phase, die von Wissen und Technologie bestimmt wird, von Wellen, die unsere Kultur überschwemmen und unser Leben nachhaltig prägen werden.

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Der Rundfunk brachte zunächst Zerstreuung durch Musikprogramme und Unterhaltung und kaum Informationen über Wirtschaft und Politik. Die erste Worte am 23. Oktober 1923 aus der Sendestation waren:

„Achtung! Hier Sendestelle Berlin Voxhaus, Welle 400. Wir bringen die kurze Mitteilung, dass die Berliner Sendestelle Voxhaus mit dem Unterhaltungsrundfunk beginnt.“
Die Musiker, die einzeln vorgestellt wurden, spielten als erstes von zwölf Musikstücken ein Violoncello-Solo mit Klavierbegleitung, das "Andantino" von Georg Kreisler. Beendet wurde die Sendung mit dem Deutschlandlied und dem Absagetext:
„Wir wünschen Ihnen eine gute Nacht! Vergessen Sie bitte nicht, die Antenne zu erden.“

Automobile und Kinopaläste

Eine beeindruckende Epoche sind unsere goldenen Zwanziger. Die Rentenmark im November 1923 bringt Stabilisierung und wirtschaftlichen Aufschwung. Alles fängt an zu blühen und zu wachsen und die große Armut scheint vorbei zu sein. Überall in Berlin mehr Mobilität und Kultur. Es scheint, als ob Leben und Mobilität untrennbar miteinander verbunden wären.

Gewaltige Fabriken produzieren Automobile, die uns ganz ohne der Pferde Muskelkraft und auch viel rasanter transportieren können; erschwinglich sind sie zudem. Größer und stärker – so scheint das Motto zu lauten.

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Ein Kleinwagen von Opel (unter dem Werkscode 4/12-PS), der wegen seiner grünen Farbe ‚Laubfrosch’ genannt wurde, kostete anfangs noch 4500 Rentenmark und nur die Oberschicht konnte ihn sich leisten, aber durch dieOptimierung der Fließbandarbeit konnte der Preis bald auf 1930 Reichsmark gesenkt werden. Damit wurde der ‚Laubfrosch’ auch für die Mittelschicht erschwinglich.

Ein Auto muss her. Ich kann damit Frauen beeindrucken, nein, ich werde in einem Auto Frauen für mich gewinnen. Ziel einer Rundfahrt könnten zum Beispiel die neuenLichtspiele sein. Denn was beeindruckt nach den bewegten Bildern einer Spritztour mehr als bewegte Bilder an einer Wand? Ja, bewegte Bilder werden in Lichtspielhäusern an Wände projiziert und schaffen die perfekte Illusion von Leben anderer. Sie müssen das gesehen haben!

Unterhaltung für die Bevölkerung wurde zu einem wesentlichen Teil ihrer Freizeit und schuf ein völlig neues Lebensgefühl. In den Großstädten wurden „Kinopaläste“ gebaut, die in Architektur und Eleganz den prunkvollen Theatern und Opernhäusern der Zeit um nichts nachstanden. Die Projektionen dort zeigten in der Regel 15 bis 18 Bilder pro Sekunde.

Wie kann ich eine Frau dazu bringen, mit mir ins Kino zu gehen? Ihr eine Einladungskarte schicken, ja, das ginge. Aber viel eleganter wäre es, sie ‚fernmündlich’ mittels Telephon einzuladen; zudem ist ein kurzer Flirt mit der Vermittlung nicht verboten, oder?

Zeppelin und Schallplatten

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Wozu Wissenschaft und Technik uns keinen Einlass gewähren können, ist der siebte Himmel, aber was ist mit dem sichtbaren, uns näherliegenden Himmel? Graf von Zeppelin hat doch so eine riesige Maschineentwickelt, mit der man Menschen durch die Luft transportieren kann, ein ‚Starrluftschiff’ in Form einer riesigen Zigarre. Könnte ich am Ende nur mittels dieser erhabenen Technik die Frau meines Herzens gewinnen? Wenn wir uns die Welt aus der Luft betrachten und damit uns so frei wie Vögel fühlen? Ja, denn so müssen Götter auf uns niederblicken.

Das 1928 entwickelte Lichttonverfahren erlaubte erstmals das Schneiden und Nachbearbeiten von Tonaufnahmen. Erste elektrische Plattenspieler kamen auf den Markt. Musik konnte über sogenannte Schallplatten mühelos abgespielt werden, sie konnte konserviert und überall, wo es ein Grammophon gab, zum Leben erweckt werden.

Oh, wie oft haben wir die Stücke gehört und dazu getanzt: ‚Chicago’ von den Jazzbos Carolina Serenaders oder ‚Yes, We Have No Bananas’ von Billy Jones. Auch mitreißend : O. Stransky & F. Rotter mit dem wunderbaren Stück ‚Ich fahr mit meiner Klara in die Sahara’. Was ja für meine Liebste und mich auch eine Option wäre, wenn ihre Familie mit unserer Verlobung nicht einverstanden wäre. Wir könnten natürlich mit dem Zeppelin auch gleich weiter nach Amerika fliegen, auf Nimmerwiedersehen. Aber meine Angebetete – ich weiß, die Sie interessierenden Details unseres Zusammenkommens habe ich, Gentleman alter Schule, respektvoll ausgelassen –, meine Liebste also besteht darauf, dass wir in ihrer Vaterstadt Hamburg heiraten. Nun gut, einverstanden. Mit dem Auto wäre dieser Weg natürlich machbar, aber um wie viel beeindruckender wäre es, Hamburg mit dem fliegenden Hamburger anzusteuern?

Fliegender Hamburger

Der sogenannte Fliegende Hamburger war ein atemberaubender Zug, der eine traumhafte Reise von Berlin nach Hamburg in kürzester Zeit ermöglichte. 142 Minuten dauerte die Fahrt. Man sprach von einer Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h, die in der ersten Testphase sogar um 10 km/h höher war, den Fahrgästen oder auch der Elektronik zuliebe im späteren Normalbetrieb allerdings nicht mehr gefahren wurde.

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Viele der Errungenschaften schienen einem Großteil der Bevölkerung buchstäblich den Atem zu nehmen. Das Reistempo, die Musik, die Arbeitswelt. Doch gerade für die junge Generation war die Herausforderung ein Geschenk, schnell freundete sie sich mit einem unbeschwerten Lebensgefühl an, das neue Zeitalter fühlte sich für viele tatsächlich wie ein ‚goldenes’ an.

Heute habe ich die Ehre, ein Interview mit einer literarischen Legende durchzuführen. Ich spreche von Klaus Mann, einem Literaten durch und durch mit stark sozialen Qualitäten und erstklassigem Verhalten. Zunächst aber möchte ich Ihnen kurz etwas zu Klaus Manns Leben erzählen.

Heute habe ich die Ehre, ein Interview mit einer literarischen Legende durchzuführen. Ich spreche von Klaus Mann, einem Literaten durch und durch mit stark sozialen Qualitäten und erstklassigem Verhalten. Zunächst aber möchte ich Ihnen kurz etwas zu Klaus Manns Leben erzählen.